EGCG – das Wunder der Natur
12. September 2022

Autorin: Nina Devrnja, PhD der Biologie
Trotz der Entwicklung einer fortschrittlichen und modernen pharmazeutischen Industrie im Bereich der chemischen Synthese, hat sich die Verwendung natürlicher Heilpflanzen in den letzten Jahren wieder zu einem der wichtigsten Bereiche der wissenschaftlichen Forschung herausgebildet. Naturstoffe standen in den letzten Jahrzehnten im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der wissenschaftlichen Gemeinschaft und das Interesse an ihnen wächst weiterhin stetig. Lange vor dem Siegeszug der modernen chemischen Pharmakologie wurden pflanzliche Stoffe über Jahrhunderte hinweg als Bestandteil der traditionellen Medizin verwendet.
Einige der traditionellen Heilpraktiken wie die indische Ayurveda, die traditionelle chinesische Medizin oder die afrikanische Kräuterheilkunde sind auch heutzutage noch für viele Menschen weltweit die wichtigste Behandlungsoption, sei es aus wirtschaftlichen Gründen, aufgrund von persönlichen Überzeugungen oder wegen des mühsamen Zugangs zu pharmazeutischen Produkten. In der modernen Pharmakologie sind Naturstoffe zu einer der wichtigsten Ressourcen für die Entwicklung neuer Leitsubstanzen geworden. Bei Arzneimitteln, die für die Behandlung verschiedener Krebsarten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes etc. genutzt werden, handelt es sich oftmals um Naturstoffe oder deren Derivate. So wurden zwischen 1981 und 2014 beispielsweise über 50 % der neu entwickelten Arzneimittel aus Naturstoffen abgeleitet (9).
Dem Konsum von grünem Tee werden zahlreiche gesundheitliche Vorteile zugeschrieben. Die Grünteepflanze (Camellia sinesis) ist eine Gattung immergrüner Sträucher oder kleiner Bäume mit glänzend grünen, spitzen und wohlriechenden Blättern.

Die kleineren jungen Blätter und Blattknospen werden für die Herstellung von grünem Tee verwendet, die älteren und größeren Blätter für Oolong und schwarzen Tee und die Knospen für weißen Tee. Die Unterschiede im Geschmack, in der Farbe und im Aroma zwischen diesen Tees ergeben sich durch Variationen im Hinblick auf Sorte, Klima, Ernte, Oxidation und Verarbeitung.
Im Allgemeinen hat sich gezeigt, dass grüner Tee gegenüber schwarzem Tee bezüglich seiner Vorteile für die Gesundheit überlegen ist. Die Blätter des grünen Tees werden nicht fermentiert, weshalb die grüne Farbe erhalten bleibt. Darüber hinaus wird so auch der Gehalt an antioxidativen Polyphenolen und die antioxidativen Eigenschaften im Vergleich zu schwarzem Tee erhöht (1), was möglicherweise eine Erklärung dafür liefert, warum grüner Tee so gesund ist.
Polyphenole des grünen Tees und ihre Vorteile
In den letzten Jahren sind die gesundheitlichen Vorteile von Polyphenolen in den Fokus der Ernährungswissenschaftler gerückt und zahlreiche präklinische und klinische Studien belegen ihre positiven Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit. Als hochwirksame Antioxidantien können Polyphenole verschiedenen durch oxidativen Stress bedingten Krankheiten entgegenwirken. Es ist bekannt, dass oxidativer Stress mit der Entstehung und dem Fortschreiten verschiedener chronisch-degenerativer Erkrankungen wie Herzkrankheiten, Krebs und dem Alterungsprozess zusammenhängt.

Polyphenole verfügen über eine ideale chemische Struktur, um freie Radikale zu binden, und viele Studien weisen darauf hin, dass Polyphenole in vitro als starke Antioxidantien agieren, die oxidativen Stress effektiver reduzieren können als Vitamin C und E oder Carotinoide (5,6). Die starken antioxidativen Eigenschaften, durch die reaktive Sauerstoff- und Stickstoffspezies reduziert werden, sind auf sogenannte Tee-Flavonoide, die Catechine, zurückzuführen. Aufgrund der Verarbeitung nach der Ernte (gestoppte Oxidation) enthält grüner Tee mehr Catechine als andere Teesorten.
Was sind die wichtigsten Catechine des grünen Tees?
Die vier wichtigsten Catechine des grünen Tees sind Epicatechin (EC), Epigallocatechin (EGC), Epicatechingallat (ECG) und Epigallocatechin-3-gallat (EGCG). Wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass EGCG (und andere Catechine) für den Großteil der potenziellen gesundheitlichen Vorteile verantwortlich sind, die dem Konsum von grünem Tee zugeschrieben werden.

Jüngste wissenschaftliche Daten geben Hinweise darauf, dass die Anzahl der Hydroxylgruppen (-OH) und das Vorhandensein charakteristischer Strukturelemente einen erheblichen Einfluss auf die antioxidative Aktivität von Catechinen haben.
Bei der Extraktion von EGCG aus grünem Tee bleibt die biologische Aktivität intakt und man erhält eine Quelle hochwertiger Polyphenole. Die Wasserextraktion von Blättern des grünen Tees ist eine relativ sanfte Methode der EGCG-Extraktion ohne Verwendung aggressiver Lösungsmittel, die in Übereinstimmung mit den FDA-Vorschriften für Lebensmittelsicherheit steht. Natives EGCG hat jedoch eine schlechte Bioverfügbarkeit, was seine kommerzielle Anwendung stark einschränkt. Studien haben ergeben, dass einige Faktoren die Stabilität und Pharmakokinetik von EGCG beeinflussen, wie z. B. ein hoher pH-Wert oder eine Temperatur, die dessen Abbau fördern, oder dass die Einnahme von EGCG zusammen mit Vitamin C oder Mineralien wie Selen oder Chrom die antioxidative Kapazität von EGCG erhöht (2,3).
EGCG – und seine potenziellen gesundheitlichen Vorteile
In den vergangenen zehn Jahren gab es viele Studien, die sich mit den gesundheitlichen Vorteilen von EGCG beschäftigt haben (4). Viele der in letzter Zeit veröffentlichten klinischen Wirksamkeitsstudien wurden mit aufbereitetem EGCG und verschiedenen EGCG enthaltenden Produkten (z. B. verschiedenen normalen und entkoffeinierten Grüntee-Extrakten) durchgeführt. Bei einigen dieser Studien handelte es sich um sorgfältig konzipierte, doppelblinde und ordnungsgemäß kontrollierte Studien.
Zu den potenziellen gesundheitlichen Vorteilen, die grünem Tee und EGCG zugeschrieben werden, zählen unter anderem antioxidative Wirkungen, Chemoprävention von Krebs, Verbesserung der kardiovaskulären Gesundheit und frauenbedingte Gesundheitsproblemen wie Myome, Unterstützung bei Gewichtsabnahme und Schutz der Haut vor Schäden durch ionisierende Strahlung.
Heutzutage gibt es viele Arzneimittel mit entzündungshemmenden Eigenschaften, aber auch diese Therapeutika haben ihre Grenzen. Nicht-selektive nichtsteroidale Antirheumatika (NSAIDs) werden in der Regel zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen verschrieben, werden aber auch in Verbindung mit gastrointestinalen Irritationen gebracht. Klinische und präklinische Tests von EGCG aus grünem Tee untermauern seine potenzielle therapeutische Anwendung bei der Behandlung von Erkrankungen mit entzündlichen Komponenten sowie sein Potenzial zur Regulierung kardiovaskulärer Komplikationen im Zusammenhang mit rheumatoider Arthritis (10). Die entzündungshemmenden Eigenschaften von EGCG lassen sich vor allem auf seine starke antioxidative Wirkung zurückführen. Weniger Entzündungen bedeuten weniger Schmerzen; für viele Menschen bedeuten weniger Schmerzen wiederum mehr Bewegung, was entscheidend zu ihrem Wohlbefinden beiträgt.
EGCG gegen UV-induzierten Hautschäden
EGCG wurde außerdem mit der Behandlung von UV-induzierten Hautschäden in Verbindung gebracht. Elmets et al. (7) behandelten die Haut gesunder Freiwilliger mit Extrakten von Grüntee-Polyphenolen (GTP) oder aufbereiteten Catechinen (EGCG, ECG, EGC oder EC).

Die behandelten Stellen wurden anschließend einer Dosis simulierter Sonnenstrahlung ausgesetzt, die doppelt so hoch war, wie die minimal erforderliche Dosis, mit der bei unbehandelter Haut ein Erythem erzeugt werden kann.
Das mittels UV behandelte Gewebe wurde auf Erytheme, UV-induzierte DNA-Schäden, Verringerung der Anzahl UV-sensibler Langerhans-Zellen und das Vorhandensein von sonnenverbrannten Zellen untersucht. Die Vorbehandlung der Haut mit einer 5%-igen GTP-Lösung führte zu einer drastischen Verringerung der Anzahl der UV-induzierten Erytheme (Reduktion um über 80 %), zu einer Verringerung der Anzahl sonnenverbrannter Zellen (Reduktion um 66 %), zu einer Erhöhung der Überlebensrate der Langerhans-Zellen (58 % Wiederherstellung der Population) und zu einer Verringerung der UV-induzierten DNA-Schäden (Reduktion um 45 %).
Die einzigen aufbereiteten Grüntee-Polyphenole, die eine ähnliche Schutzwirkung gegen UV-Strahlung erzielen konnten, waren EGCG und EC. Diese Studie zeigte das Potenzial von GTP und EGCG bei der Behandlung von UV-Schäden und Hautalterung durch UV-Strahlung.
Inspiriert von früheren Ergebnissen, die darauf hindeuteten, dass EGCG das Wachstum von Gebärmutterhalskrebszellen in vitro verhindern konnte, untersuchten Ahn et al. (8) die klinische Wirksamkeit verschiedener EGCG- und Grüntee-Zubereitungen auf humane Zervixläsionen. Insgesamt zeigten 35 der 51 Patienten, die entweder mit EGCG oder Grüntee-Extrakt behandelt wurden, eine klinisch signifikante positive Reaktion. Während eine kleine Anzahl der Patienten in der unbehandelten Gruppe einen gewissen Grad an Besserung zeigte, so war bei einem deutlich größeren Teil dieser Patienten keine Verbesserung zu erkennen oder kam es zu einem weiteren Fortschreiten der Krankheit.
Die therapeutischen Eigenschaften von Pflanzen sind seit Menschengedenken bekannt und viele Krankheiten wurden mit Arzneimitteln pflanzlichen Ursprungs behandelt. Die moderne Medizin erfordert jedoch die Isolierung und Reinigung von ein oder zwei aktiven Substanzen. Die innovative Arzneimittelentwicklung beginnt mit der Inspiration durch Naturstoffe für die wirksame Behandlung von Krankheiten.
EGCG ist zweifellos ein sehr leistungsstarkes Polyphenol, das aus grünem Tee gewonnen wird und das Potenzial hat, eine Vielzahl von Vorteilen für die Gesundheit und das Wohlbefinden zu vermitteln, wie man sie nur in der Natur finden kann.
Quellen:
Ki Won Lee, Hyong Joo Lee, Chang Yong Lee, Antioxidant Activity of Black Tea vs. Green Tea, The Journal of Nutrition, Volume 132, Issue 4, April 2002, Page 785
Peters CM, Green RJ, Janle EM, Ferruzzi MG (2010). Formulation with ascorbic acid and sucrose modulates catechin bioavailability from green tea. Food Res Int. 43: 95-102.
Giunta B, Hou H, Zhu Y, Salemi J, Ruscin A, Shytle RD, Tan J (2010). Fish oil enhances anti-amyloidogenic properties of green tea EGCG in Tg2576 mice. Neurosci Lett. 471: 134-8.
Singh B., Shankar S., Srivastava R. (2011) Green tea catechin, epigallocatechin-3-gallate (EGCG): Mechanisms, perspectives and clinical applications, Biochem. Pharmacol. 82: 1807-1821.
Mukai, S. Mitani, K. Ohara, and S.-I. Nagaoka, “Structure- activity relationship of the tocopherol-regeneration reaction by catechins,” Free Radical Biology and Medicine, vol. 38, no. 9, pp. 1243–1256, 2005.
A.Rice-Evans,N.J.Miller,P.G.Bolwell,P.M.Bramley,andJ. B. Pridham, “The relative antioxidant activities of plant-derived polyphenolic flavonoids,” Free Radical Research, vol. 22, no. 4, pp. 375–383, 1995.
Elmets, C.A., Singh, D., Tubesing, K., Matsui, M., Katiyar, S., Mukhtar, H., 2001. Cutaneous photoprotection from ultraviolet injury by green tea polyphenols. J. Am. Acad. Dermatol. 44, 425–432.
Ahn, W.-S., Yoo, J., Huh, S.W., Kim, C.-K., Lee, J.-M., Namkoong, S.- E., Bae, S.-M., Lee, I.P., 2003b. Protective effects of green tea extracts (polyphenon E and EGCG) on human cervical lesions. Eur. J. Cancer Prev. 12, 383–390.
Newman DJ, Cragg GM (2016) Natural products as sources of new drugs from 1981 to 2014. J Nat Prod 79:629–661.
Ohishi T, Goto S, Monira P, Isemura M, Nakamura Y. Anti-inflammatory Action of Green Tea. Antiinflamm Antiallergy Agents Med Chem. 2016;15(2):74-90.
Zurück zur Übersicht